Erste-Hilfe-Maßnahmen bei Vergiftungen

tierarzt hört pferd ab

Vor Kurzem haben wir euch einen Einblick in die Thematik der Giftpflanzen gegeben. Doch was ist zu tun, wenn das Pferd eine Vergiftung erleidet? 

In diesem Fachartikel geben wir euch Tipps zu Erste-Hilfe-Maßnahmen bei (dem Verdacht auf) Vergiftungen.
Zeigt das Pferd Vergiftungserscheinungen sollte nicht nur die Aufnahme von Giftpflanzen in Betracht gezogen werden. Eine Vergiftung kann auch durch andere Giftstoffe entstehen:

  • Arznei- und Genussmittel (Medikamente, Antiparasitika)
  • Futter- und Lebensmittelzusatzstoffe (verdorbenes Futter)
  • Industriechemikalien
  • Umweltschadstoffe (z.B. Pestizide, Insektizide, Düngemittel, Silierzusätze)

Im Folgenden beschränken wir uns jedoch auf die Vergiftung durch Giftpflanzen, um die Formulierung möglichst verständlich zu halten. Alle genannten Maßnahmen können aber bei Vergiftungen im Allgemeinen angewendet werden. 


Welche Symptome können bei einer Vergiftung auftreten?

Vergiftungen lösen immer einen Symptomkomplex aus, sodass eine eindeutige Zuordnung der Vergiftungsquelle nur anhand von Symptomen kaum möglich ist. Zudem reagiert jedes Pferd unterschiedlich stark auf die Aufnahme von Giftstoffen. Auch die Resorption aus dem Darm kann sich zeitlich stark unterscheiden. Der Gesundheits- und Ernährungszustand des Pferdes ist dabei von großer Bedeutung. Erste Anzeichen einer Vergiftung treten, abhängig von Stärke und Art des aufgenommenen Gifts, wenige Minuten bis einige Monate nach der Aufnahme auf. 
Die häufigsten Symptome einer Vergiftung sind:

  • Unruhe, Verhaltensstörungen, Empfindlichkeit durch äußere Reize wie Licht und Geräusche
  • Schweißausbrüche, starker Speichelfluss
  • Störungen des Bewegungsablaufes (z.B. Taumeln, Schwanken oder Lähmungen)
  • Zu hohe (> 44 Schläge / Minute) oder zu niedrige (< 28 Schläge / Minute) Herzfrequenz im Ruhezustand
  • Veränderte Pupillen
  • Durchfall oder Verstopfungen
  • Krampfartige Kolikanfälle, Kreislaufkollaps
  • Hautirritationen an Maul und Nüstern

Was kann ich bei einer Vergiftung tun?

1.    Tierarzt informieren

Zeigt das Pferd Vergiftungssymptome, wirkt das Gift bereits im Körper und kann nicht mehr entfernt werden. Je eher der Tierarzt die Symptome behandelt, desto geringer fallen die Langzeitschäden aus. 
Häufig ist unklar, was die Vergiftung ausgelöst hat. Wurde das Pferd nicht beim Fressen einer Giftpflanze (oder eines anderen Giftstoffes) beobachtet, sollte versucht werden herauszufinden, ob, wann und wo das Pferd die Möglichkeit dazu hatte. 
Die nachfolgenden Informationen sind für den Tierarzt besonders wichtig und sollten ihm so vollständig wie möglich mitgeteilt werden:

  • Welche Pflanze wurde gefressen und wie viel? 
  • Welche Teile der Pflanze hat das Pferd gefressen?
  • Wann wurde das Gift aufgenommen und wie häufig?
  • Auf welchem Weg wurde das Gift aufgenommen? (subkutan, oral oder durch Inhalation)
  • Welche Anzeichen zeigt das Pferd und wie ist der aktuelle Zustand?
  • Wodurch kommt der Vergiftungsverdacht?
  • Angaben zum Pferd: Alter, Gewicht, Allgemeinzustand (Ernährungszustand, Krankheiten usw.)

Ist bekannt, welche Pflanze gefressen wurde, sollte unbedingt ein Zweig (möglichst mit Blättern) zur Bestimmung aufbewahrt und dem Tierarzt vorgelegt werden. So kann der Tierarzt seine Behandlung auf den Giftstoff abstimmen. Dabei sollten Handschuhe getragen werden, da einige Pflanzen auch für Menschen giftig sind.

2.    Erste-Hilfe-Maßnahmen

Bis der Tierarzt eintrifft, gibt es einige Maßnahmen, mit denen man dem betroffenen Pferd helfen kann. Dabei sollte man immer Ruhe bewahren.
Außerdem ist auch an andere Tiere zu denken. Können sich noch weitere Pferde durch dieselbe Ursache vergiften? Zeigte das Pferd bereits auf der Koppel Vergiftungssymptome, müssen umgehend auch alle anderen Tiere von dieser Koppel entfernt werden, um weitere Vergiftungen zu vermeiden.
Allgemeine Maßnahmen:

  • Die weitere Aufnahme von Giftpflanzen muss unverzüglich verhindert werden
  • Futteraufnahme verhindern. Am besten eine Fressbremse anlegen
  • Wasser ad libitum anbieten

Durch die Wasseraufnahme wird das Gift schneller durch den Verdauungstrakt transportiert. Verweigert das Pferd die Wasseraufnahme, kann Wasser mit ein wenig Traubenzucker oder Honig versüßt werden. Auch warmer Tee wie Kamille, Anis, Fenchel oder grüner Tee werden von den Pferden gern getrunken und unterstützen den Magen-Darm-Trakt.

  • Das Pferd nicht unnötig bewegen

Durch Bewegung wird das Gift schneller im Körper verteilt. Befindet sich das Pferd außerhalb des Hofgeländes (z.B. bei einem Ausritt), sollte das Pferd am besten mit einem Hänger abgeholt werden.

  • Unterbringung in einer großen und weich eingestreuten Box

Das Pferd könnte jeder Zeit einen Kreislaufkollaps erleiden oder durch Bewegungsstörungen stürzen. Die Boxenwand kann mit Heu- oder Strohballen gepolstert oder mit Pferdedecken abgehangen werden, um Verletzungen zu vermeiden.

  • Puls, Atmung und Temperatur überprüfen und dokumentieren
  • Tierkohle füttern

Medizinische Tierkohle kann durch seine Oberfläche Giftstoffe im Verdauungstrakt des Pferdes aufnehmen und binden, sodass kein Gift in den Kreislauf gelangt. 

Spezielle Maßnahmen:

  • Giftpflanzen die Fotosensibilität auslösen

Das Pferd sofort in einen kühlen Stall bringen.
Fotosensibilität äußert sich durch Hautentzündungen an wenig behaarten Körperstellen wie Lippen und Augenlider. Auch an weißen Abzeichen oder bei Pferden mit heller Haut ist die Fotosensibilität meist sichtbar. Die giftigen Substanzen lagern sich in der Haut ab und werden durch Wellenlängen des natürlichen Lichts aktiviert. Auf künstliches Licht reagiert die Haut meist nicht. Auch noch mehrere Tage nach der Vergiftung kann das Pferd anfällig auf Licht reagieren. 

  • Aufnahme von hautschädigendem Kontaktgift 

Das Maul des Pferdes mit fließendem Wasser ausspülen. Die Nüstern und das Maul sollten von außen mit einem Schwamm abgewaschen werden. Dabei ist zu beachten, dass das Wasser sofort abfließen kann und nicht vom Pferd getrunken wird oder in die Nüstern gelangt. Veränderte Hautbereiche können durch kalte Kompressen gekühlt werden. Das Abschwammen mit kaltem Schwarztee kann den Juckreiz und Schmerz an betroffenen Hautstellen lindern.

  • Kreislaufprobleme

Kalte Güsse herzwärts aufsteigend können helfen, den Kreislauf zu aktivieren. Beginnend bei den hinteren Fesseln werden die Beine nacheinander mit kaltem Wasser abgeduscht. Dabei beginnt man erst an den Hufen und steigert sich langsam am Bein nach oben, bis zum Bauch des Pferdes. 
Wechselwarme Beinwickel und sanft kreisende Massagen regen ebenfalls die Durchblutung und den Kreislauf an. Begonnen wird mit kalten Wickeln, gefolgt von warmen und erneut kalten Wickeln.

  • Untertemperatur

Um die Körpertemperatur zu erhöhen, wird das Pferd eingedeckt und wenn möglich unter eine Wärmelampe gestellt.

  • Fieber

Bei einer stark erhöhten Temperatur können kalte Beinwickel helfen. Diese müssen alle 15 – 20 Minuten erneuert werden. Sinkt die Temperatur dennoch nicht, können kalte Bauchwickel eingesetzt werden. Danach muss das Pferd eingedeckt werden.

3.    Informationsbeschaffung

  • Giftnotrufzentrale

Viele Giftnotrufzentralen in Deutschland geben auch bei Tiervergiftungen Ratschläge. Bis der Tierarzt eintrifft, kann man bei der regionalen Giftnotrufzentrale anrufen und sich Informationen zum weiteren Vorgehen einholen. 

  • CliniTox

Unter https://www.vetpharm.uzh.ch/perldocs/toxsyqry.htm können Symptome, sowie Labor- und Sektionsbefunde eines vergifteten Pferdes angegeben werden. Das Institut für Veterinärpharmakologie und -toxikologie gibt dann aufgrund der Angaben Vorschläge, was die Vergiftungsursache sein könnte. Diese Webseite ersetzt jedoch keinen Tierarzt! Sie dient lediglich der Bestätigung eines Verdachts oder dient als Hilfestellung, die Vergiftungsursache zu ergründen. 

Es ist unmöglich alle Giftquellen aus der Umgebung der Pferde zu entfernen, daher ist die Aufklärung von Pferdehaltern umso wichtiger. Aufgrund der anatomischen Gegebenheiten des Pferdes ist es ihm nicht möglich sich zu erbrechen, was das Herausfiltern giftiger Stoffe aus dem Pferdekörper erschwert. Der Tierarzt kann meist nur noch die Symptome behandeln. Daher ist es von großer Bedeutung Gefahrenquellen zu erkennen und möglichst zu vermeiden. Sollte es doch zu einer Vergiftung kommen, muss diese schnellstmöglich erkannt und behandelt werden.

 

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